• Höhenbergsteigen

    ADCO Ambassador CAROLIN HESS

In dieser Serie stellen wir Carolin Hess vor.
Wir werden sie auf ihrem Weg zu den hohen Gipfel unserer Erde begleiten.

Fotos: Carolin Hess und Jonas Salzmann

Vol. 01

Warum das alles? (Höhersteigen und Überleben)

Es ist 2.30 Uhr, das genaue Datum oder den Wochentag erinnere ich grade nicht und auch nicht, wie lange ich eigentlich schon die Zeltdecke anstarre. Neben der aktuellen Höhe (7485m) verrät meine Uhr noch, dass die Temperatur gerade wohl in etwa bei -23 Grad liegt. Ein starker Wind donnert gegen die Zeltwand und bei jeder Böe rieseln mir kleine Eiskristalle ins Gesicht. Ich spüre einen starken Druck in meinem Kopf und dahinter die bohrende Frage: Warum das alles? Die Umgebung in der ich mich gerade befinde ist lebensfeindlich.

Es ist kalt, es ist eisig, und der Sauerstoffgehalt in der Luft so gering, sodass jede Bewegung ungeheuer anstrengend ist und nur noch in Zeitlupe funktioniert. Der Energiebedarf um den Körper warm zu halten und noch mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen ist so hoch, dass es über längere Zeit nicht mehr möglich ist, diesen mit ausreichend Flüssigkeit und Nahrung zu decken. Und trotzdem fühle ich eine starke Faszination, einen Sog, höherzusteigen, alles unter mir zu lassen, tief unter mir, noch einen Schritt weiter und noch einen. Ich fühle mich fokussiert aber auch demütig. Wie weit kann ich kommen in Richtung Gipfel, wie weit bis nichts mehr über mir liegt, wie weit in Richtung Himmel? Meine zweite große Faszination am Höhenbergsteigen liegt in dem Gefühl zu (üb)erleben. Das wiederum ist meistens ein Gefühl, dass mich im Abstieg überschwemmt. Je tiefer ich komme desto einfacher werden alle meine Bewegungen, ich ziehe die dicke Daunenjacke aus und lege die schweren Schuhe ab, fühle mich leicht und befreit. Ich atme ruhig. Bin unendlich hungrig und dankbar für ein warmes Essen. Ich stille meinen Durst. Ich bin dankbar für warme Fingerspitzen
und trockene Socken. Ich bin lebendig.

Wie das alles? (Ein Jahr, ein Ziel)

Ich erinnere mich noch sehr genau an meine erste einfache Trekkingreise in Nepal 2014. Ich erinnere mich, wie ich in der Mittagspause im gleißenden Sonnenlicht völlig gebannt auf einem Felsvorsprung den unendlichen Gipfelhorizont beobachtet und mich gefragt habe, was man eigentlich tun muss um so hohe Berge besteigen zu können. Dieses Bild hat mich auch zurück zu Hause nicht mehr losgelassen und so kam es, dass ich 2 Jahre später quasi fast ohne alpinistische Erfahrung meinen ersten technisch sehr einfachen 6000er (Aconcagua) erwandert habe. Seither ist die Leidenschaft für die Höhe zu einem immer wichtigeren Lebensbestandteil bzw. zu einer jährlichen Routine geworden. Es folgten ein weiterer technisch etwas anspruchsvollerer 6000er (Ama Dablam) und ein 7000er (Himlung Himal) bevor ich in Pakistan meine ersten beiden niedrigen 8000er bestiegen habe (Broad Peak und Gasherbrum II). Am 8485m hohen und damit fünfthöchsten Berg der Welt (Makalu) hatte ich in den letzten beiden Jahren bisher kein Gipfelglück. Daher formt sich aktuell die Idee, vor einem eventuellen 3. Versuch, im nächsten Jahr erst einmal den deutlich niedrigen 8126m hohen Nanga Parbat als nächstes Ziel in Angriff zu nehmen.

Wie das alles? Nach Rückkehr von einer Expedition formt sich eigentlich meistens ziemlich unmittelbar eine neue Idee in meinem Kopf. Erst leise und geheim, es geht mehr um das Gefühl, dass bereits wieder ein neues Ziel, ein neues Abenteuer wartet. Oft dauert es einige Wochen bis diese Idee dann auch laut ausgesprochen wird und im Herbst langsam die erste konkrete Planung beginnt und gegen Jahresende dann auch das Training. Nach einer Expedition kommt man meistens körperlich erstmal ziemlich ermüdet zurück und verliert in der Höhe leider auch deutlich an Muskelmasse. Daher folgt in den Wochen danach erstmal eine Erholungs- und Wiederaufbauphase. 3-6 Monate vor der nächsten Expedition versuche ich dann das Ausdauertraining wieder schrittweise mehr zu steigern. Für das Höhenbergsteigen braucht man sicher eine solide Grundausdauer, muss jedoch bei weitem kein Leistungssportler sein. Tatsächlich korreliert der Grad der Fitness sogar überhaupt nicht mit der Höhenverträglichkeit. Die Grundausdauer trainiere ich mit Berglaufen. Ob von der Haustüre aus auf den Kybfelsen oder Schauinsland oder zur Abwechslung auf den Kandel oder Belchen, Hauptsache bergauf. Einen speziellen, ausgefeilten Trainingsplan verfolge ich dabei nicht, das einzige Rahmenziel ist 2000 Höhenmeter in der Woche zu laufen. Mindestens so wichtig wie eine gute körperliche Grundausdauer ist für eine Höhenexpedition auch die mentale Ausdauer. Ein starker Wille, Leidensfähigkeit und sehr viel Geduld – das zu trainieren ist sicher anspruchsvoller. Für mich finde ich hierfür Trainingseinheiten nach dem Motto „nach müde kommt weiterlaufen“ wichtig und das bedeutet für mich persönlich z.B. loslaufen auch nach einem anstrengenden Nachtdienst oder den Wecker mal ganz früh zu stellen, noch vor der Arbeit, wenn es kalt und dunkel ist. Und es bedeutet für mich auch ein Jahr lang von der nächsten Expedition zu träumen. Ich träume davon meine Taschen zu packen und in das Flugzeug zu steigen und ich träume davon mit einem Namaste oder Salam Aleikum in einer fremden Welt wieder auszusteigen. Ich träume vom ersten Schritt im Anmarschtrekking, vom letzten Baum oder Grashalm und vom Sonnenuntergang im Basislager. Ich träume vom Knirschen der Steigeisen und den ersten glitzernden Sonnenstrahlen auf der gefrorenen Schneedecke. Und ich träume vom aller letzten Schritt auf den Gipfel.

Infos:

Das öffentliche Strava Profil von Carolin. Hier gibt es einige Trainingsläufe und Bergtouren (teilweise auch mit kleinen Texten).

Weitere Artikel über Ausrüstung, Gedanken, Vorbereitung und Gipfelbesteigungen von Carolin Hess gibt es bald auf dem ADCO Blog.
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Fotos: Carolin Hess und Jonas Salzmann

Die Geschichte des Expeditionsausstatters begann 1981 im Dachgeschoss eines kleinen Reihenhauses im britischen Sheffield, wo der Gründer und Namensgeber Rab Carrington das erste Produkt herstellte: einen Schlafsack. Doch das war nicht irgendein Schlafsack – denn bereits in dieses handgenähte Produkt ist das Know-how jahrelanger Bergsteigererfahrung von 8.000er Begehungen wie denen von Nuptse und Makalu geflossen.
Heute stellt Rab technisch ausgefeilte Produkte für einen breiten Einsatzbereich draußen her.

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