• BIKEPACKING

    Ein Erfahrungsbericht | Freiburg – Budapest

Vom Schwarzwald bis Budapest: Das mit dem Bikepacking

Vor geraumer Zeit hat mein Social-Media-Algorithmus – wohl schon einiges vor mir selbst – bemerkt, dass ich das mit dem Bikepacking mal ausprobieren sollte, und hat mich mit dementsprechend viel Content gebrieft.
Als eine der wenigen Sportarten ist das Fahrradfahren bei mir bisher nicht wirklich durchgedrungen. Wahrscheinlich, weil ich nicht noch ein teures Hobby wollte – zu all meinen anderen teuren Bergsportarten wie Skitouren, Bergsteigen, Klettern, Gleitschirmfliegen etc.
Naja, nicht nur mein Algorithmus, sondern auch mein alltägliches Umfeld hat mir immer öfter gezeigt, wie toll das mit dem Bikepacking sein kann: Abends einfach schnell Biwak-Sachen packen, raus in den Schwarzwald für eine Nacht und morgens rechtzeitig zum Frühstück zurück sein. Bei mir war so ein Mikroabenteuer bisher meist mit einem Auto verbunden. Aber ich habe das dann doch mal mit meinem Alltagsfahrrad ausprobiert – mit improvisierten Taschen aus Drybags und Skistraps. Sieh an, das macht ja sogar Spaß! Mit einer Radhose tut bei 20 Kilometern nicht mal der Po weh.

Mittlerweile war mein Algorithmus schon so weit, mir nicht nur „normalen“ Bikepacking-Content anzuzeigen, sondern ich war abgerutscht in die Bubble des ununterstützten Ultracyclings: Wettkämpfe, bei denen man oft mit dem Gravel-Bike lange Strecken von mehreren Tagen hinter sich bringt und währenddessen alles dabeihaben muss, was man selbst benötigt – wie Schlafsack, Zelt – und sich von außen nicht helfen lassen darf. Das ließ mein Abenteurerherz höher schlagen! „Ok, das macht bestimmt Spaß“, dachte ich mir – ohne je länger als ca. 30 km auf dem Sattel gesessen zu haben. Mein nächster Schritt ins Bikepacking war eine Tour von Freiburg ins Schweizer Jura – zwei Tage, ca. 160 km. Ich hatte Glück und durfte bei einer geführten Tour von Tout Terrain mitfahren. Zugegeben, es war mehr Bike als Packing, weil unser Gepäck geshuttelt wurde. Jetzt hatte ich sogar mal die 120 km an einem Tag auf dem Sattel geschafft. Und tatsächlich – es macht immer noch Spaß. Zugegeben, das Testbike von Tout Terrain hat auch seinen Teil dazu beigetragen. Langsam formte sich der Gedanke in meinem Kopf, in den paar Wochen im Sommer, in denen ich noch nichts vorhatte, das mit dem Bikepacking mal richtig auszuprobieren. Schließlich musste ich jetzt mal selbst fühlen, was ich so im Sattel strampeln kann – an einem Tag und an mehreren Tagen hintereinander. Ist das realistisch für mich mit den 200–300 km, die die Pros bei den ununterstützten Ultracycling-Events wegstrampeln? Oder haben die einfach nur extrem dicke Beine? Ich überlegte: Was braucht es für mich bei einer Bikepacking-Reise, damit ich zufrieden bin? Welche Himmelsrichtung überhaupt? Und wie lang sollte die Strecke sein? Marokko! Nette Strecke bis dahin, cooles Land, das ich schon immer mal besuchen wollte. Aber ich bemerkte, dass mein Reisepass abgelaufen war und ich zu bald los wollte, als dass es sich zeitlich ausgegangen wäre, einen neuen zu beantragen. Ok – Richtung Osten? Ja, das ist doch was! Richtung Schwarzes Meer, und zwischen Freiburg und Schwarzem Meer gibt es ganz viele tolle Nationalparks, durch die ich alle hätte fahren können. Das war meine Traumvorstellung: ganz viel tolle Natur und viele schöne Aussichten in den Nationalparks Osteuropas.

Ich ging auf Komoot – eine Tourenplanungs-App – und erstellte einfach mal schnell einen Track, der meinen Vorstellungen entsprach: von Freiburg über Augsburg nach Prag und dann alle Nationalparks einsammelnd bis zum Schwarzen Meer. (In Augsburg und Prag wollte ich Freunde besuchen.) Heraus kamen 4000 km und 50 000 Hm. Ok – etwas überambitioniert eventuell, aber mein Ziel war ja nicht direkt das Ende, also das Schwarze Meer, sondern die Strecke selbst und das ganze Bikepacking mal auszuprobieren. Außerdem konnte ich die Strecke jeden Tag neu anpassen, je nachdem, wie ich mich fühlte, oder mal einen Nationalpark weglassen. Aber das war meine Traumroute – ohne diese wäre ich wohl nicht losgefahren. Nun, da ich eine konkrete Projektidee hatte, kam die Frage auf: Was ist mit dem Equipment? Durch meine Outdoorsportarten hatte ich eigentlich alles, was ich brauchte – außer Biketaschen und einem Fahrrad. Zumindest wollte ich nicht unbedingt mit meinem eigenen Hardtail losziehen, da das echt schon gut gebraucht war und einige Sachen gemacht werden mussten, wie Antrieb, Bremsen, eine Sattelstütze, die ich nicht mehr hoch und runter stellen konnte, usw. Mit meiner Projektidee ging ich zu einigen lokalen Fahrradläden und fragte, ob es von den Fahrradmarken ein Testbike gibt, das ich für die Zeit mitnehmen könnte. Ich versuchte es auch über andere Marken-Kontakte, die ich schon von früheren Bergprojekten hatte. Aber nichts zu machen – als Nicht-Fahrradfahrer war das eher schwer zu bekommen. Und nicht zuletzt: Ich wollte in ca. zwei Wochen los – also extrem knapp für so eine Anfrage. Und das mit den Biketaschen … Als Student sieht mein Konto leider nicht so gut aus, dass ich mir mal eben schnell eine komplette Sammlung kaufen könnte. Ich klopfte bei ADCO an und fragte nach Aushilfe bei den Biketaschen. Ich bekam direkt ein „Ja“ als Antwort und freute mich extrem! Da ich bis kurz vor meinem Abfahrtstermin kein Bike gefunden hatte, stellte sich jetzt die Frage: Lass ich es ganz sein? Oder gebe ich dem Ganzen einen Versuch mit meinem Hardtail? Flitzen kann ich mit dem ganz gut. Und da ich ja jetzt das Taschenproblem gelöst hatte, wäre ich quasi ready to go.

Quasi. Mein Fahrrad brauchte schon noch ein bisschen Liebe und Zuwendung davor: Bremsen entlüften, neue Bremsbeläge – und wie sich rausstellte – auch einen neuen Bremshebel. Einen neuen Sattel bekam ich leihweise. So weit so fahrtüchtig. Den Antrieb sollte ich eigentlich auch wechseln, da mir auf dem höchsten Gang die Kette immer durchrutscht und ich beim Geräusch jedes Mal denke: „Jetzt ist sie aber gerissen.“ Aber falls es wirklich unterwegs soweit kommen sollte, kann ich sowas ja auch unterwegs austauschen, dachte ich mir. Zum Glück passierte das nicht. So langsam wurde ich nervös. Mein Bike war so weit hergerichtet, dass es losfahrbereit war. Ich musste nur noch die Taschen vollpacken und konnte einfach starten. So eine Nervosität kenne ich nur, wenn ich etwas komplett Neues ausprobiere. Anders war diesmal nur, dass ich komplett allein starten würde – ohne eine Person, auf die ich mich stützen konnte. Das hatte ich mir ausgesucht, und das musste ich jetzt auch durchziehen! Zumindest starten. Ich kann zum Glück jederzeit mit dem Radeln aufhören und in den Zug nach Hause springen – dieser Gedanke brachte etwas Beruhigung.
Tag 1: Alles gepackt ging es zeitig morgens in Freiburg los. Von Freiburg Richtung Osten fahrend hat man das Glück, direkt die Höhenmeter in den Schwarzwald wegzutreten. Das holte mich auch gleich auf den Boden der Tatsachen zurück – ich konnte auf keinen Fall die angedachte Strecke für den ersten Tag schaffen.

Kurz nach Freiburg durfte ich außerdem feststellen, dass ich das wichtigste Tool einer Bikereise vergessen hatte – mein Multitool. Da mein Hardtail keine Befestigungslöcher hat, musste ich die vorderen Gabeltaschen mit einer Art Klemme befestigen, die sich aber nach ein paar Kilometern schon wieder gelockert hatte. Aushelfen mussten zwei Gummistraps, die das Problem tatsächlich solide für die nächsten zehn Tage regelten. Ich war abends auf der Schwäbischen Alb verabredet, und da ich nicht spät in der Nacht ankommen wollte, setzte ich mich nach 70 km in den Zug für die restlichen Kilometer. Krafttechnisch war die Entscheidung auch nicht ganz verkehrt. Tag zwei fing mit etwas Nieselregen an, der mich aber nicht weiter störte. Auch heute hatte ich wieder eine Verabredung für abends in Augsburg. Nach 100 km auf dem Sattel hatte ich die Wahl zwischen weiteren 60 km nach Augsburg oder der Autounterstützung der Person, die ich besuchen wollte. Ich entschied mich für die Autounterstützung, da ich keine weiteren 60 km an Tag zwei geschafft hätte. Auf die 100 km an dem Tag war ich echt stolz. Das Schöne, wenn man etwas Neues ausprobiert, ist, dass man ständig kleine Erfolgserlebnisse hat – auch wenn es körperlich echt anstrengend ist.
In Augsburg hatte ich dann direkt einen Pausentag, den ich nutzte, um verschiedene Fahrradläden abzuklappern, die mir leider nur bedingt helfen konnten. Ein Multitool war schnell gefunden, aber es hat sich noch ein Problem aufgetan: Der Sattel, der mit einer Art Klemme befestigt war, blieb nicht in der Position, in der ich ihn haben wollte. Egal wie fest ich die Schrauben anzog – er bewegte sich nach wenigen Kilometern wieder nach hinten. Somit saß ich die ganze Zeit nicht optimal. Das Problem konnte ich auch während der ganzen Reise nicht beheben – selbst nach einem zweiten Fahrradladen-Besuch in Wien nicht, obwohl dort alles gegeben wurde. Ich fand mich mit der Zeit damit ab und bildete mir ein, gegen Ende der Reise auch nicht mehr so sehr zu spüren, dass der Sattel zu weit hinten war. Was ich jedoch am Ende der Reise spürte, war ein leichter Schmerz im linken Ellenbogen. Ich nehme an, dass dieser durch die etwas zu große Distanz zwischen Sattel und Lenker kam. In den kommenden drei Tagen fuhr ich an der Donau entlang bis nach Wien. Ich merkte, dass ein gutes Frühstück für mich essenziell war, damit ich nicht nach ein paar Kilometern wieder anhalten musste, sondern mit guter Energie durchhalten konnte. Ich lernte, mir kleine Ziele über den Tag verteilt zu setzen, damit ich nicht schon morgens die Motivation verlor – denn 140 km hören sich echt lang an und können demotivieren, wenn man nicht gut vorankommt. Mein erstes Tagesziel lag oft nach 30–40 km in Form einer Bäckerei oder eines Cafés. Nach weiteren Kilometern um die Mittagszeit kam meist ein Supermarkt für Snacks und belegte Brötchen – und am Nachmittag nochmal ein Café oder eine Cola bei einem Kiosk. Mit dieser Routine kam ich langsam weg von dem unangenehmen Gefühl und den Gedanken, ob ich das, was ich hier machte, überhaupt wollte. Ich kam hin zu Tagen, in denen ich Spaß am Radeln hatte. Ich merkte auch, dass ich mir genügend Snacks auf den Lenker legen musste. Bei so viel Sport den ganzen Tag ist es wichtig, dem Körper regelmäßig Energie nachzuliefern. Hier hatte ich alles – vom Apfel am Wegesrand über Chips, Nüsse oder Trockenfrüchte – manchmal sogar Gummibärchen.

In Wien kam ich perfekt an, um einen kräftigen Regentag für eine Radelpause zu nutzen. Ich hatte Glück und durfte in einem WG-Zimmer ausruhen. Ein Tag lang nichts machen – perfekt. Die letzten Tage hatte ich mir abends immer einen Supermarkt rausgesucht, in dem ich Abendessen kaufen konnte. Dort setzte ich mich dann – mittels Komoot und Google Maps – an die Recherche nach einem geeigneten Platz, an dem ich ungestört meine Hängematte für die Nacht aufspannen konnte. Dieses System funktionierte gut, und ich bekam immer extrem schöne Hängematten-Spots. Nach dem Pausentag in Wien startete ich frisch gestärkt in die Strecke nach Budapest, die ich auf zwei Tage ansetzte. Die Energie, die ich hatte, merkte ich: Ich fuhr 180 km an dem Tag und entschied mich, die Strecke auf der slowakischen Seite der Donau zu fahren. Diese stellte sich als extrem schön heraus. Auch hier hatte ich abends wieder einen wunderschönen Hängemattenplatz zum Sonnenuntergang direkt an der Donau gefunden. Je weiter ich Richtung Budapest kam, desto mehr fragte ich mich, was meine Optionen waren: Weiterfahren Richtung Schwarzes Meer? Oder eine andere Strecke Richtung Mittelmeer? Oder doch wieder zurück nach Hause? Von Freiburg zum Schwarzen Meer liegt Budapest ungefähr in der Mitte. Ich merkte, dass es schwieriger werden würde, mit den Öffis zurückzukommen, wenn ich weiterfuhr und zwischendrin aufhören wollte. Außerdem tat mir mittlerweile der Ellenbogen weh, und ich konnte nicht einschätzen, ob ich mir bei einer Weiterfahrt vielleicht einen Tennisarm oder etwas Ähnliches holen würde. Ich war sehr zufrieden mit der Strecke, und ein Weiterfahren bis zum Schwarzen Meer fühlte sich an, als würde ich das nur noch tun, weil ich es mir mal vorgenommen hatte – nicht, weil ich es wirklich wollte. Vielmehr hatte ich mir den Weg dazwischen vorgenommen: die Art zu reisen auszuprobieren, zu lernen, was ich bei kommenden Reisen besser machen kann, und wie mein Körper und Kopf bei langen Tagen auf dem Sattel mitmachen. Als Sportler und Outdoorler stand bei meiner Radreise vor allen Dingen das Radeln und die damit verbundenen Erfahrungen im Vordergrund – wie schöne Hängematten-Spots finden – und weniger das Kulturelle links und rechts von meinem Weg. Wobei ich das auch nicht ganz weggelassen habe. Aber für das Kulturelle gibt es wieder andere Reisen, bei denen der Fokus anders gelegt wird.

Ich weiß jetzt, dass es wichtig war, einfach loszufahren – mit meinem Fahrrad, auch wenn das kein neues Gravel-Bike ist. Aber ich weiß auch, dass es mit einem neuen Gravelbike in manchen Situationen bestimmt einfacher gewesen wäre. Einen großen Respekt habe ich auf jeden Fall vor allen, die sich diese extremen Strecken bei den Ultras vornehmen. Um da hinzukommen, muss ich wohl noch etwas trainieren und das Radfahren auch stärker in meinen Alltag einbauen. Für mich steht aber fest, dass das nicht meine letzte Tour auf dem Rad war. Ich möchte immer noch einen selbstunterstützten Ultra ausprobieren. Eventuell werde ich auch einen Freund begleiten, der Amerika einmal mit dem Rad durchqueren und dabei jeden höchsten Berg jedes Landes besteigen möchte. Aber auch hierfür ist noch einiges an Training und Planung notwendig, bis es zur Umsetzung kommt.

Text & Fotos: Heli Hoffmann

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